Geschichte der Norddeutschen Eiswerke und der Kühlhäuser mit Eisfabrik in der Köpenicker Straße
Nachdem die TLG nach der Übernahme des Kühlbetriebes angeblich alle historischen Baupläne und das Firmenarchiv verloren hat, haben wir versucht die Bedeutung und die interessante Geschichte der Norddeutschen Eiswerke darzustellen.
Die folgenden Daten sind aus vielen Quellen zusammengetragen.
Die kursiv dargestellten Daten betreffen die Anlage in der Köpenicker Straße 40/41
1863 vermutlicher Beginn der Eisgewinnung am Rummelsburger See durch Maurermeister Carl Bolle (lt.Börsenprospekt 1872)
1868 Die Eiswerke von Carl Bolle in Rummelsburg wachsen schnell auf 18 Eisschuppen an, von denen jeder etwa 30.000 Zentner Natureis fassen kann. Im Winter wird es aus der Eisfläche des Rummelsburger Sees gebrochen und eingelagert.
1869 Die »Spenersche Zeitung« berichtet über die Natureisgewinnung auf dem Rummelsburger See: "Das Eis wird dort vermittelst Dampfmaschinen in reguläre Quadern zerschnitten und durch den Pächter, Maurermeister Bolle, in Eisschuppen fest zusammengepackt."
1871 ist der Verkauf der Rummelsburger Eiswerke belegt (Natureis)
Hier handelte es sich nach Wissenstand von 2013 um ein Eiswerk das zwei kleine Eisteiche angelegt hatte, die sich aber an Hand der Größe der Norddeutschen Eiswerke nicht mehr gerechnet haben dürften.
30.05.1872 Bolle lässt ein Natur-Eiswerk auf dem Kietzer Feld am Dahme Ufer in Köpenick errichten (Drei Millionen Kubikmeter !!) und erwirbt Grundstücke für Spargel und Obstanbau
02.09.1872 Gründung der Norddeutschen Eiswerke AG durch Carl Bolle, sämtliche Bolle-Eiswerke fliessen in die AG
Gründung mit einem Grundkapital von M 2.400.000,00. Die Gesellschaft errichtet nach amerikanischem Muster zunächst in Köpenick, Rummelsburg und Plötzensee große Holzschuppen zur Aufbewahrung von Natureis, welches in den Seen und Flüssen gewonnen wird. Das Unternehmen entwickelt sich anfangs in sehr bescheidenen Grenzen.
1878 Da in den eisarmen Wintern die gewonnenen Eismassen zur Befriedigung des Bedarfs nicht ausreichen, legt man Ende der 70er Jahre kleine Kunsteisfabriken auf den betreffenden Grundstücken an. Die gesamte Entwicklung der Gesellschaft ist auch in den späteren Jahren recht ungünstig; es wird versucht, mit verschiedenen Nebenbetrieben die Rentabilität der Gesellschaft zu steigern.
1878 Das Rummelsburger Eiswerk wird mit elektrischer Beleuchtung ausgestattet. Allerdings sehen die Versicherungen „natürlich eine viel höhere Brandgefahr, als dies bei Gasätherbeleuchtung der Fall ist".
1882 Die Norddeutschen Eiswerke haben ihr Etablissement in Wien verkauft, meldet eine Fachzeitschrift im August des Jahres.
18. September 1886 Das »Teltower Kreisblatt« veröffentlicht einen Bericht über die Natureisgewinnung im Norddeutschen Eiswerk in Rummelsburg, wo täglich etwa 150 Transportwagen mit 6 000 Zentnern Eis für die Versorgung Berlins beladen werden.
1886 wird berichtet, daß die drei Eiswerke "Neues Eiswerk"; "Hannoversches Eishaus und die Norddeutschen Eiswerke jährlich 100.000 Centner Eis in Hannover auslieferten, 10 Jahre zuvor wurde nur ein Drittel dieser Menge konsumiert
27.September 1887 expoldierte in der Kühlanlage der Eiswerke in Rummelsburg eine Ammoniakbombe.
1887 Im Adressbuch finden sich die Norddeutschen Eiswerke auch unter den Herstellern von Eisschränken.
Als Firmenadresse wird die Seydelstr. 32 angegeben
1888 Herr H.Frey wird als Direktor der Norddeutschen Eiswerke in Rummelsburg erwähnt
1889 Rudolf Diesel zieht im Auftrag der Kälte und- Eismaschinen Linde AG nach Berlin
1890 Als Besitzer der Norddeutschen Eiswerke werden F. Schmidt und C.Bolle erwähnt. Der Sitz des Unternehmens befindet sich in der Breite Str. 20
Alte Briefe verweissen auch auf die Seydelstrasse 32 als Firmenzentrale
1893 Die Linde AG unterstützt die Neuentwicklung der Motoren von Diesel nicht, worauf er die Firma verlässt.
1893 Der Winter zu 1894 ist ein milder. Die Natureisgewinnung erzielt keine Erträge. Das kurbelt den Verkauf von künstlichen Eiserzeugungsanlagen in Deutschland an.
1892-95 "Die Pacht für den Reinickendorfer See (Schäfersee) wurde seit 1.April 1892 von 4600 auf 5000 M jährlich erhöht; für die seit Jahren den Norddeutschen Eiswerken A.=G. überlassene Rohr= und Eisnutzung, sowie für die kleine und große Fischerei auf dem Rummelsburger See ist der bisherige Pachtbetrag von 8220 M unverändert geblieben. ..." (Der Schäfersee war an die Eisfabrik Mudrack verpachtet.)
Januar 1894 Auch in diesem Jahr gibt es eine schlechte Ernte. In der Filiale in Frankfurt/M hat man sich deshalb dazu durchgerungen, die gesamte Ernte en Block an einen Konkurenten zu veräußern.
November 1894 Eine Fachzeitschrift informiert über den Verkauf der Filiale in Frankfurt/M mit einem kleinen Gewinn gegen den Buchwert
1895 Die Norddeutschen Eiswerke bieten per Anzeige im Teltower Kreisblatt 120 Arbeits - und Droschkenpferde in Rummelsburg zum Verkauf an.
1896 In zwei verschiedenen Fachbüchern finden wir Hinweise auf eine Zweigstelle der Norddeutschen Eiswerke in Frankfurt am Main; Anfragen an Stadthistoriker dort haben nicht zu Erfolg geführt.
1896 Errichtung des ersten Hochkühlhauses Deutschlands in Berlin mit kleiner Eisfabrik; Wohn - und Kontorhaus auf dem Gelände der Köpenicker Strasse 40/41 (siehe Bericht von 1902)
Der Bau wird nach Entwürfen von Albert Biebendt (geb. 28.05.1873 Berlin; gest. 06.07.1939 Berlin) errichtet, der in der Manteuffelstraße 78 ein Baugeschäft hatte.
Man errichtet auf dem im Besitz der Gesellschaft befindlichen Grundstück Köpenicker Straße 40/41 das erste Kühlhaus zwecks Konservierung von Lebensmitteln durch Kälte.(Handbuch der Aktiengesellschaften)
Als Firmenadresse wird die Schützenstraße 68 (Berlin SW) genannt.
Der Eintrag findet sich auch unter "Eisspinden" (Eisschränke)
Mai 1900 Die Norddeutschen Eiswerke teilen mit, das in ca. 5 Wochen die ersten Kühlhäuser in Betrieb genommen werden.
Einen Monat später verkündet die Linde AG die Inbetriebnahme einer neuen Eisfabrik und zweier Kühlhäuser in der Trebbiner und Luckenwalder Straße
1901 Die Lagerhallen der Norddeutschen Eiswerke AG in Köpenick brennen fast vollständig nieder, ein Wiederaufbau lohnt nicht mehr
Februar 1902 Streik der Arbeiter der Norddeutschen Eiswerke AG in Köpenick
1902 hält Prof. Carl Linde einen Vortrag über die neuen Berliner Kühlhäuser der Markt - und Kühlhallen Gesellschaft vor dem Bezirksverein der Berliner Ingenieure und sagt:
"Aber hervorgehoben werden muß, das gleichzeitig mit der Gesellschaft für Markt und Kühlhallen in Berlin die Norddeutschen Eiswerke in Berlin die Errichtung eines bedeutenden Kühlhauses begonnen und es dem Betrieb übergeben hat, noch ehe die Kühlhäuser der Gesellschaft für Markt und Kühlhallen vollendet waren. Um so mehr mag es vielen als ein beinahe verwegenes Unternehmen erscheinen, bei einer so wenig entwickelten Industrie in einem Masstabe einzusetzten, wie es bei den neuen Kühlhäusern geschehen ist."
1903 In der Literatur findet sich ein weiterer Hinweis auf eine Aussenstelle der Norddeutschen Eiswerke in Frankfurt am Main
1905 Die Zeichnungen für eine Maschine zur Eisherstellung für die Koepenicker Str. sind fertig. Maschinenfabrik Wegelin und Hübner; Halle
1905 Als Firmensitz der Norddeutschen Eiswerke AG wird die Schützenstr. 68 angegeben.
1905 Die Absorptionsmaschine, die die Kühlhäuser kühlt wird von den Ingenieur R.Stetefeld und G.Grüttke getestet.
Der Bericht über den Test erschien in fast allen Fachzeitschriften und wird noch viele Jahre in Fachbüchern erwähnt.
1907 H.Frey wird als Ingenieur und Direktor der Norddeutschen Eiswerke, Aktien-Gesellschaft - Rummelsburg Berlin erwähnt.
1908 Verkauf des Heiligen See durch die Norddeutschen Eiswerke
1909-10 wird, durch Albert Biebendt geleitet, eine zwei Höfe umfassende Wohn-und Fabrikanlage mit Kunsteisproduktion in der Köpenicker Strasse errichtet.
1914 Der 25 Jahre alte Maurer August Bauermeister und der 38 Jahre alte Maurer Paul Schemmel stürzten beim Schornsteinbau der Eisfabrik vom Gerüst trugen schwere innere Verletzungen, Knochenbrüche und Quetschungen davon. Vossische Zeitung (Abend-Ausgabe) 03.03.1914, S. 5-6
Die neue Eisfabrik geht im Mai 1914 in Betrieb.
Die Betriebe in Plötzensee und Rummelsburg werden wegen kriegsbedingten Arbeitskräftemangel stillgelegt.
ungenaue Angaben im "Adressbuch der Direktoren und Aufsichtsräte" 1915 geben Max Weil, Heinrichstraße 7, Kreuznach, als Direktor der Norddeutschen Eiswerke an.
Juni 1917 In einer Fachzeitschrift wird über die Eisfabrik berichtet.
Auch wird mitgeteilt, daß der bekannte Kältetechniker und langjährige Direktor Rudolf Habermann nicht mehr Direktor ist.
Seine Leistungen werden aber nocheinmal deutlich herausgestellt.
Der Auftrag geht an die Augsburger Maschinenfabrik die: „ein trauriges und unfertiges Machwerk" lieferte.
1919 Das Grundstück Rummelsburg ist vom Reichs-Militärfiskus aufgrund des Kriegsleistungsgesetzes beschlagnahmt.
Die Eisschuppen sind unter Schneelast zusammengebrochen.
Das Werk in Plötzensee ist vermietet.
01.01.1921 bis 31.07.1921 Verkauf der Grundstücke in Rummelsburg und Plötzensee
1924 Das Kühlhaus in der Köpenicker Straße wird modern eingerichtet.
1925 Erste Eröffnungsbilanz in Goldmark;
Nochmalige größte Erweiterung der Kühl- und Gefrierhäuser durch Neubauten.
In Deutschland verfügten die 37 Kühlhäuser über eine Lagerfläche von insgesamt 140 000m³, von denen 120 000m³ Gefrierfläche waren
1926 Der Luisenstädtische Kanal wird nicht mehr benötigt und zugeschüttet.
Ein indischer Garten mit Indischem Teich und Palmen, an den Tempel Taj Mahal angelehnt,
sollte am Engelbecken nach Wünschen des Stadtgartendirektor Erwin Barth entstehen und mit dem warmen Abwasser aus der Eisfabrik gespeist werden
1936 Das 1910 gegründete jüdische Unternehmen der im Haus ansässigen Buch - und Kunstdruckerei • Zehl & Koch(Verlags- und Druckereiwesen)
wird liquidiert.
1937 Umbau von Kühl- und Gefrierhäusern
1938 Ausbau weiterer Gebäudeteile zu Kühl- und Gefrierhäusern.
1943 Dr. Karl Heinz Heuser (geb.29.05.1901 in Fulda) ist Vorstand und "Betriebsführer" der Norddeutschen Eiswerke AG und sitzt im Aufsichtsrat der Dresdner Bank.
Dort vertreten sind auch die Aufsichtsräte von Krupp, Flick und IG Farben....
Er ist stellvertr. Gauwirtschaftsberater der NSDAP in Berlin, Vorsitzender des Aufsichtsrates der „Ebro", Erste Berliner Dampf-Roßhaarspinnerei AG in Berlin
1945 Zerstörung eines Wohnhauses durch Bomben.
1945 Der Betrieb wird unter Zwangsverwaltung gestellt und bis 1948 treuhänderisch vom Verband der Berliner Konsumgenossenschaften verwaltet. Um 1949/50 war die Norddeutsche Eiswerke AG Pachtbetrieb des Konsum.
Januar 1992 Die Miete steigt für 50m² von 50 DM inklusive Betriebskosten per Gesetzesverordnung auf 328 DM plus Betriebskosten
Ab 01.Juni 1992 übernimmt die Berliner Kühlhaus GmbH die Verwaltung der Wohnhäuser
März 1995 Die Berliner Kühlhaus GmbH gibt den Betrieb an der Köpenicker Str. 40/41 auf. Die Treuhand TLG übernimmt komplett die Verwaltung des Objekts.
Pläne vom Bau der Eisfabrik und das Firmenarchiv gehen verloren...(?) .
1995 Zum Schutz vor herunterfallenden Putzteilen wird an der Straßenfassade ein Gerüst mit einer Gerüstlage erstellt. Der Zustand hält dann fast 20 Jahre, der Zeit in der das Areal der bundeseigenen TLG Immobilien GmbH gehört, an.
16. Oktober 1995 Brand in der Eisfabrik bei Arbeiten zur Vorbereitung des Abrisses
Ein Seitenflügel des Wohnhauses wird unbewohnbar und steht seitdem leer, Dächer auf den Kühlhäusern bleiben Jahre offen
1996 wird die Strassenfassade komplett eingerüstet und lose Putzteile entfernt, bereits am nächsten Tag wird das Gerüst bis zur ersten Lage wieder zurückgebaut.
2005 Der Architekt Reimann plant im Rahmen des Mediaspree-Projekts trotz Denkmalschutz einen Neubau aus Glas, der von der Treuhand TLG präsentiert wird.
Von der Eisfabrik bleibt in den Planungen nur strassenseitig ein Wohnhaus.
Einen entsprechenden Bauantrag der TLG lehnt das Bezirksamt Mitte jedoch ab.
Die Weiterführung dieses Kapitels haben wir unter Aktuelles eingeordnet
???? Die Eisfabrik wird saniert.
Durch das Einsetzen von Fenstern und Glasdächern ist es gelungen, viel Licht in die ehemaligen Kühlräume zu bringen und die Architektur zu betonen.
Die Kühlhauser werden deshalb gerne gewerblich genutzt,
das Maschinenhaus mit der Maschine zur Eiserzeugung kann vom Spreeweg aus besichtigt werden.
Im Hof der Fabrik befindet sich das einzige Restaurant am gesamten Spreeufer und bietet für Uferspaziergänger auch Eis an,
Es ist gelungen, eine alte Fabrik zum Anziehungspunkt am Spreeufer in Berlin-Mitte zu machen,.... ist unsere Vorstellung.