In einer Eisfabrik Bericht von 1895 |
Text eines Denkmal- schützers |
Die Eismaschine |
Rummelsburg 1886 |
Natureisgewinnung bei den Norddeutschen Eiswerken 1896 |
Eisernte |
Hier brannten die Lager der Eiswerke in Plötzensee.
500.000 Centner Eis - waren verloren...
Eiswerke mit Natureis-Einlagerung brannten häufig wegen der Holzwolledämmung nieder.
In der heutigen Nacht wurden die Norddeutschen Eiswerke in Plötzensee von einer verheerenden Feuersbrunst heimgesucht. Das gewaltige Flammenmeer, dem die Wehren der benachtbarten Vororte und Berlins zunächst machtlos gegenüberstanden, hatte eine zahllose Menschenmenge nach dem Brandherd gelockt, so daß ein starkes militärisches Aufgebot unter schwierigen Verhältnissen für Absperrung sorgen mußte.
Bei der Explosion eines Ammoniakbehälters verlor ein Kind das Leben, und ein Feuerwehrmann wurde schwer verletzt.
Über den Brand, der wegen riesiger Rauchschwaden, die über Großberlin hinzogen, von weither beobachtet wurde, erhalten wir nachstehende Schilderung:
Unmittelbar am Plötzensee liegt das ausgedehnte Terrain der Norddeutschen Eiswerke: zwei große Eisschuppen, fünf Pferdeställe, vier große Eiselevatoren, ein Direktionsgebäude und eine Maschinenhalle.
Brand der Norddeutschen Eiswerke in Plötzensee
Zu sehen sind die "Elevatoren" auf denen das Eis aus dem See in die Eisschuppen transportiert wurde.
Die im Bild befindlichen Räder stammen vom Aufzug.
Im Hintergrund sind nur noch die Stämme zu sehen, die einst die Wände der Eisschuppen bildeten.
Das Auto huscht nach dem Norden hinauf. Friedliche Stille der Sommernacht. Am Kanal spazieren die Pärchen, auf den Bänken sitzen geruhsame Leute, die sich von der Tagesarbeit erholen.
Nichts deutet auf ein erregendes Ereignis hin. Aber plötzlich besäht sich der Asphalt mit Funkensternen, wie sie von den Fackeln der Feuerwehr hinterlassen werden. Vor uns kreuzen einige Löschzüge den Weg. Es sind Ablösungstransporte, die nach der Brandstätte eilen.
In eisener Ruhe sitzen Offiziere und Mannschaften auf den Wagen; sie wittern ihr Element: Feuer und Rauch. Schon trägt der Wind den brandigen Geruch herüber. Flugfeuer flammt durch die Nacht, das schweigsame Ufer wird lebendig.
Tausende und aber Tausende Menschen tauchen jäh aus der Dunkelheit auf, über ihnen wie Inseln im Meere reitende Schutzleute und Gendarmen. Mühselig zwängt das Auto des Berichterstatters sich jetzt vorwärts. Schläuche allenthalben in den Weg verstreut, sperren die Passage, dichter und immer dichter schieben sich die Menschenmassen an den Wagen heran.
Aber ein freundliches Wort an die Menge: „Zeitungsdienst!" - die Reihen öffnen sich willig und schließen sich wieder.
An der Eingangspforte zu den Eiswerken machen wir halt.
„Gehen Sie nicht weiter!" warnte ein Feuerwehroffizier, „Sie können nichts sehen, der Rauch ist zu stark!"
Aber im Dienste der Pflicht muß es versucht werden. Es ist ein Tasten in der Finsternis.
Ein Baum dient als Richtschnur, dann ein zweiter, ein dritter. An diesem gebieten Qualm und Feuer ein entschiedenes Zurück.
Beängstigend legt sich der scharfe, übelriechende Dunst auf die Brust, die Windrichtung ist so ungünstig, daß auf drei Schritte nichts mehr zu sehen ist. Durch die Luft schwirren Funken, werden weithin in die Menge geblasen, flattern zurück, gauckeln und schließen sich wieder zum feurigen Reigen.
Aus der Dunkelheit ragen hohe Gestänge, vielleicht 20 Meter hoch und darüber. Wie Telegraphenanlagen stehen sie nebeneinander, weißlich glühend. Auf ihnen tanzen und gleiten die Funken, ein Brillantfeuerwerk ohnegleichen!
Bald legen sich die Schleier der Nacht auf die seltsame Erscheinung, bald werden sie vom Winde getrieben und auseinandergerissen, so daß minutenlang wiederum das Holz weißglänzend schimmert. „Das ist der Rest des Eisschuppens," sagt der Branddirektor von Charlottenburg, „was Sie da sehen, sind die Balken, die noch stehen geblieben sind.
Mehr war nicht zu retten. Aber die Nachbargebäude haben wir erhalten, voraussichtlich eine Explosion verhütet und eine Menge Pferde gerettet.
Leider ist ein Knabe tödlich verletzt worden und ein anderer zu Schaden gekommen. Im übrigen: 15 Rohre! Guten Abend."
Mit geschäftsmäßiger Kühle wickelt sich nicht nur der Löschdienst, sondern auch die Arbeit der Samariter, der Sanitätskolone, der auf dem Platze erschienen Rettungsstellen der Stadt Berlin und des Verbandes für erste Hilfe ab. Das Kontor der Eiswerke, das sich am Eingang befindet, war in eine Feldwache umgewandelt worden, aus der die Befehle kamen und gingen. Ueberall schoben sich über den Platz die Mannschaften des 4. Garde-Regiments zu Fuß, die den Absperrungsdienst versahen, und die Luftschiffer.
Die Anwohner waren der Dankbarkeit voll für die militärische Hilfe, und namentlich den Luftschiffern wurde das Kompliment gemacht, daß sie außerordentlich viel zur Rettung der Pferde beigetragen haben.
„Drei Pferde sind verbrannt", erzählte die Frau des Platzverwalters. „Mir zittern noch die Knie vor Schreck, Denken Sie! Abends gegen acht fing auf einmal der Zaun zu brennen an.
Ich sehe es und laufe nach der Gießkanne. Mein Mann sieht es auch und rennt nach der Feuerwehr, aber ehe er zurückkommt, brennt der Pferdestall schon. Drei Minuten später steht schon der große Schuppen in Brand.
Wir haben das unsrige getan und die Feuerwehr schnellsten verständigt. Aber als sie kam, war gar nichts mehr zu machen. Es brannte alles wie Zunder.
Wie das gekommen ist? Die Kinder haben mit Streichhölzern gespielt und den Zaun angezündet. Ein Knabe hat dann als Zuschauer ein Schlag vor den Kopf bekommen und ist getötet worden. Dann wurde noch ein Kind verletzt, und auch ein Feuerwehrmann mußte in das Krankenhaus gebracht werden.
In den letzten Stunden haben wir eine furchtbare Angst und Aufregung ausgestanden. Als Glück im Unglück sehe ich, daß das früher auf dem Platze befindliche Petroleumlager geräumt worden ist.
Seit dem 1. Juli ist das Lager leer. Wer weiß, was sonst passiert wäre. In meine Wohnung kann ich nicht hinein, es ist jetzt nach drei Stunden noch nicht möglich, durch den Qualm nach unserem Hause durchzudringen.
Aber die Kinder haben wir glücklich herausgeholt und unseren Piepmatz."
- Mitternacht, das Groß der Feuerwehren ist abgerückt, aber starke Abteilungen halten die Brandwache. Immernoch flattert der Funkenregen, immernoch glänzt das Feuerwerk des brennenden Gestänges durch die Nacht.
„Wir können uns auf zwei Tage Löschdienst und Aufräumung gefaßt machen!" meint ein biederer Feuerwehrmann gemützruhig.
M.C.
Die Norddeutschen Eiswerke,
Aktiengesellschaft, wurden im Jahre 1872 gegründet. Die Gesellschaft hat ihren Sitz in der Köpenicker Straße 40/41; seit 1873 hat sie eine Zweigniederlassung in Hannover.
Sie Erwarb zunächst die Eiswerke in Rummelsburg und Köpenick und errichtete 1883 eine neue Kunsteisfabrik.
1890 kaufte sie das Moabiter Eiswerk am Plötzensee und den zugehörigen Heiligensee an, den sie später aber wieder verkaufte.
Außer dem Eisgeschäft betreibt sie die Vermietung und sonstige Ausnutzung ihrer Kühlhäuser sowie den Handel mit Brennstoffen.
Im Jahre 1912 wurde das Petroleumgeschäft an die Deutsch-Amerikanische Gesellschaft verkauft.
Im September 1902 brach ein großer Brand in den der Gesellschaft gehörenden Köpenicker Eiswerken aus, der einen Schaden von 150,000 M verursachte.
Seit geraumer Zeit befaßt sich die Verwaltung mit dem Plan, auf ihrem Grundstück Köpenicker Straße eine neue große, moderne Eisfabrik zu erbauen.
Ende
In der Ausgabe der Berliner Morgenpost vom selben Tage wird der Knabe Paul Knebel aus der Beusselstraße als verletzt erwähnt.
Ein weiterer Junge wird durch die Explosion in den Plötzensee geschleudert, aber unverletzt herausgezogen. Ein weiterer Junge Namens Götzig vom Königsdamm wird von einer umherfliegenden Eisenstange getroffen und seine linke Köperhälfte schwer verletzt.
Der getötete Junge sei noch nicht identifiziert.
Beim Abrücken der Feuerwehr gerieten zwei Mädchen unter die Wagen und wurden schwer verletzt.
Auch 80 Pferdewagen wurden vom Feuer vernichtet. Der Schaden wurde auf über eine halbe Millionen Mark geschätzt.
Die Maße der Schuppen wurden mit 120 m Länge 30 m Breite und 15 m Höhe angegeben.
Zeichnungen von der neuen Badeanstalt der Herrn Pantzer in Plötzensee von 1906
Entwurf vom Zimmermeister Heinrich Schwien in Berlin