Unsere Stellungnahme gegen den geplanten Kühlhausabriss
2010... Gegen den Widerstand von örtlichen Initiativen und Verbänden, der Fraktion der Grünen von Berlin-Kreuzberg/Friedrichshain und Berlin-Mitte, der Stadtbaudirektorin Regula Lüscher, der Vorsitzenden des Ausschusses für kulturelle Angelegenheiten im Berliner Abgeordnetenhaus , Alice Stöver, aber auch bundesweit aggierender Verbände wie der Bundesstiftung Baukultur, dem Bund Deutscher Architekten, aber auch von Bundestagsabgeordneten von SPD und CDU, der Bundestagsfraktion der Grünen sowie dem stellvertretenden Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse beginnt die TLG Immobilien GmbH im Mai 2010 mit dem Abriss der denkmalgeschützten bis Dato ältesten Kühlhäuser Europas, den ersten Kühlhäusern Berlins und damit mit der Zerstörung des Denkmalensembles.
Kühlhäuser der Eisfabrik Die TLG möchte die Kühlhäuser abreissen und hier Büros errichten.
Wie schon länger bekannt ist, hat der Denkmalschutz dem Abriss der Kühlhäuser zugestimmt, da dem Amt dargelegt wurde, daß diese nicht umnutzbar seien.
Sicherlich wurden die Kühlhäuser in den Verhandlungen mit der Eigentümerin "geopfert" um den Erhalt anderer wichtiger Gebäude auf dem Areal zu sichern.
Dieses Schicksal trifft aufgrund ihrer Eigenart fast alle historischen Kühlhäuser, so daß es kaum noch historische Kühlhäuser gibt.
Mit dem Baujahr 1896 gehören die Kühlhäuser in der Köpenicker Str. zu den ersten Lebensmittel-Kühlhäusern dieser Art Deutschlandweit!
Durch ihre Nutzung bis 1995 sind Sie die ältesten noch bestehenden Hochkühlhäuser Europas!!!
Deshalb hier nocheinmal unsere Stellungnahme und unseren Aufruf zum Erhalt der Kühlhäuser:
Der Bestand
Auf dem ca. 17 000 qm großen Betriebsgrundstück wurden, neben dem Kühlhausbetrieb mit einer Kaltlagerfläche von ca. 8 500 qm, bis 1951 monatlich etwa 240 t, ab 1952 etwa 120 t und 1971 noch etwa 60 t Stangeneis
produziert. Mit zunehmendem Aufkommen moderner Kühltechnik ging der Bedarf an Stangeneis rapide zurück, aber erst ab Oktober 1991 wurde die Produktion eingestellt.
Der Kühlhausbetrieb wurde bis 1995 wie einst mit der alten Technik aufrechterhalten. »Die Kraftstation, bestehend aus Kessel- und Maschinenhaus, lieferte die Energie für alle Aggregate, Kompressoren, Solekühler, Luftkühler und Pumpen sowie die Wärmeversorgung der Nebengebäude.«[1]
»Von besonderem Zeugniswert ist die im Maschinenhaus aufgestellte Kältemaschine von 1914. Auch das am Spreeufer 1913-1914 errichtete Kessel- und Maschinenhaus beeindruckt mit seiner klaren, bereits der frühen Moderne verpflichtete neoklassizistischen Ziegelarchitektur. Vor allem das Maschinenhaus prägt mit einem tempelartig ausgebildeten Giebel, den ein feines Netz mit aus Ziegeln gebildeten Dekorationsformen überzieht, den Uferraum.«[2]
Das Kesselhaus ist in seinem Urzustand erhalten. Es besitzt einen Schornstein aus Ziegelmauerwerk mit einer Höhe von ca. 50m und einer oberen lichten Weite von 1,50m. Geheizt wurden die zwei großen Dampfkessel bis zur Schließung mit Braunkohle.
Die voll unterkellerten Kühlhäuser sind sechsgeschossige Ziegelbauten mit einem flachen Pultdach. Alle Decken sind aus Stahlbeton gefertigt, die Wände mit Korksteinisolierungen versehen, um die Kälte in den Räumen zu halten. Über Luftkanäle aus Holz werden die Kühlräume mit Kaltluft bis zu minus 12 bis 15 Grad ver- und entsorgt.
Der vertikale Transport von Gütern wird in den Kühlhäusern von alten Lastenaufzügen aus den Jahren 1924-38 und 1924-1948
an den Außenfassaden bewerkstelligt.
Luisenstadtteil Köpenicker Straße und nähere Umgebung
In dem zum Stadtbezirk Mitte gehörigen Teil der Luisenstadt ist historischer Baubestand nur noch an wenigen Stellen vorhanden. Durch schwere amerikanisch und englische Luftangriffe und Kämpfe bei der Einnahme Berlins durch die Sowjetarmee waren im Zweiten Weltkrieg weite Bereiche der Luisenstadt zerstört worden.
Der Wiederaufbau im zerstörten Ost-Berliner Teil erfolgte in zwei Bauabschnitten. Im ersten, 1958, nach Planung von W. Dutschke (Stadtplanung) und A. Lokczynski (Hochbau), wurde das "Neanderviertel" errichtet, bestehend aus viergeschossigen Wohnbauten des Q3-Typs in Großblockbauweise mit 468 Wohnungen. Ein zweiter Bauabschnitt nach Entwürfen des Kollektivs W. Dutschke und E. Diehl folgte 1968-69 unter dem Namen "Heinrich Heine Viertel". Diese Großsiedlungen nehmen heute mehr als die Hälfte der Fläche der nördlichen Luisenstadt ein. Die alte Köpenicker Vorstadt ist damit vollständig verschwunden.
Der geringe Denkmalbestand in dem zum Bezirk Mitte gehörenden Teil der Luisenstadt kann nur noch partiell ein Bild von der überwiegend zwischen 1850 und dem ersten Weltkrieg entstandenen Stadterweiterung vermitteln.
Auch hier dominierte bis zum Krieg die bekannte "Kreuzberger Mischung" aus Mietshäusern, Gewerbehöfen und öffentlichen Einrichtungen.
Die Denkmale konzentrieren sich heute auf drei Gebiete, in denen Altbauten noch nicht völlig verschwunden sind: um den Michaelkirchplatz, in der Runge- und Ohmstraße und an der Köpenicker Straße.
Heute werden erste Neuordnungsmaßnahmen beziehungsweise Rekonstruktionen des ursprünglichen Stadtbildes sichtbar.
Das Engelbecken ist wieder geflutet und Teile des ab 1926 von Erwin Barth zu einer Grünanlage umgestalteten Kanals sind rekonstruiert. Die Zigarettenfabrik Josetti in der Rungestraße 22-25 als weitläufige Gewerbehofanlage wurde inzwischen aufwendig saniert. Das Miethausensemble Ohmstraße 4, 5, 7, 9 und 10 stammt überwiegend aus dem letzten Viertel des 19.Jahrhunderts und bezeugt mit seinen vielen überlieferten historischen Details die Wohnverhältnisse in einer kleinen und engen Vorstadtstraße Berlins und damit auch die soziale Situation der kleinen Leute am Ende des 19.Jahrhunderts.
Die Köpenicker Straße, die bereits im 16. Jahrhundert als Feldweg in die Cöllnische Feldmark angelegt wurde, verdankt ihre Entwicklung weitgehend der Lage parallel zur Spree. Auf den tiefen Grundstücken an der Wasserseite konnte das auf der Spree transportierte Massengut verarbeitet und gelagert werden, was zur Folge hatte, dass sich die Strasse schon frühzeitig als Gewerbestandort herausbildete. Dagegen wurde die Südseite bis zur Anlage der Luisenstadt gärtnerisch und landwirtschaftlich genutzt.
Auf der Köpenicker Straße findet man das um 1895 errichtete Vorderhaus des Postamts 16, Köpenicker Straße 122, wobei nur noch die Straßenfront des Sockelgeschosses erhalten ist. Die ehemalige Feuerwache Luisenstadt, in der Tradition des spätklassizistischen Berliner Rundbogenstils, findet man in der
Köpenicker Straße 125. Der ehemalige Gewerbehof des "Koffer- und Reiseeffektenfabrikanten"" Emil Trebesius in Stahlskelettbauweise wurde 1992-93 saniert und ist heute als Viktoriahof in der Köpenicker Straße 126 zu finden.
Die Fabrikanlage der Norddeutschen Eiswerke A.G., Köpenicker Straße 40-41, ist – wie dargestellt - Teil einer gewerblich geprägten Bebauung, die sich bandartig auf den Grundstücken zwischen Spree und Köpenicker Straße erstreckt. Bereits im 18.Jahrhundert hatten sich hier Holzlagerplätze und Holzmärkte angesiedelt.
Man muss sich klar machen, dass die Kühlbranche für die Berliner Lebensmittelindustrie große Bedeutung besaß. Die seit der Jahrhundertwende auf breiter industrieller Basis einsetzende Kunsteisproduktion verdrängte die bis dahin dominierende, jedoch sehr witterungsabhängige Natureisproduktion nur langsam. Die Fabrikanlage in der Köpenicker Straße gilt als eine der ältesten Berliner Kunsteisfabriken.
Eisfabrik und Kühlhäuser als schützenswerte Elemente der Stadtlandschaft
»Nach dem heute allgemein akzeptierten "erweiterten" Denkmalbegriff sind Denkmäler "Sachen, Mehrheiten von Sachen und Teile von Sachen, an deren Erhaltung und Nutzung ein öffentliches Interesse besteht". Ein öffentliches Interesse besteht bereits dann, "wenn für die Erhaltung künstlerische,
wissenschaftliche, volkskundliche oder städtebauliche Gründe vorliegen". Gemäß dieser Definition sind auch Kühlhäuser zweifelsfrei als "Denkmäler" bzw. "Baudenkmäler" anzusprechen, welche "aus baulichen Anlagen
oder Teilen baulicher Anlagen bestehen". Da die Kühlhäuser in der Köpenicker Straße 40/41 bis zum jetzigen Zeitpunkt abgerissen werden dürfen, ist es unser Anliegen, diese genauer zu betrachten.
Welche Gründe lassen sich nun im Einzelnen für den Schutz der Kühlhäuser aufführen?
Der Erhalt scheint dringend geboten!
aus architekturgeschichtlichen Gründen
Die Kühlhäuser, welche in Deutschland erst auf eine gut einhundertjährige Tradition zurückblicken
können, werden von den Bauhistorikern als Architekturtypus zur Kenntnis genommen. Die vordergründige
Ähnlichkeit mit den traditionellen Lagerhäusern und Speichern darf nicht über den essentiellen Unterschied hinwegtäuschen, welcher in der zur Durchführung der Kaltlagerung erforderlichen
maschinellen Ausstattung begründet ist.
Diese machte aus dem Gebäude eine "technische Einrichtung",
deren reibungsloser Funktion sich alle übrigen Details (z.B. Raumanordnung und -größe, Deckenhöhe,
Isolation, Fundamentierung, Fensterlosigkeit) unterzuordnen hatte (der Grund warum fast allen alten Kühlhäusern dasselbe Schicksal droht) .
aus wirtschaftshistorischen Gründen
Der durch das starke Bevölkerungswachstum insbesondere in den expandierenden Städten hervorgerufene
große Bedarf an Nahrungsmitteln, der nur durch Importe aus dem Ausland zu decken war, führte - nachdem
die technischen Voraussetzungen dazu gegeben waren - zur Errichtung geräumiger Kaltlagerhäuser, in denen die
verderbliche Ware (vor allem Eier, Butter, Fisch und Fleisch) mehr oder weniger beliebig lange bis zum
Verkauf aufbewahrt werden konnte.
Die sich hieraus ergebende marktsteuernde Funktion wurde den Betreibern
häufig zum Vorwurf gemacht.
Als Dreh- und Angelpunkte eines weitgespannten Transport- und Handelsnetzes
standen die Kühlhäuser somit gleichsam als Symbol für ökonomische Stärke und Weltoffenheit wie für nationale
Autarkie in Notzeiten.
aus sozialgeschichtlichen und volkskundlichen Gründen
Hinter den mächtigen Kühlhausbauten verbirgt sich ein Stück Sozialgeschichte. Einerseits stehen sie synonym
für das rasante Wachstum der Industriegesellschaft, welche neue Mittel und Wege finden musste, die Versorgung
der breiten Massen mit Nahrungsmitteln jederzeit gewährleisten zu können.
Doch was gewissermaßen "aus der
Not geboren" wurde, führte schon bald zur Schaffung von über das schlicht Notwendige hinausgehenden
Konsumwünschen.
Die Kühllagerung ermöglichte selbst die Einfuhr exotischer Früchte, die bis dahin in der
Volksernährung keine Rolle gespielt hatten.
Es sei hier beispielhaft nur an den Triumphzug der Banane erinnert.
Andererseits schufen die Kühlhäuser den "kältefesten Arbeiter", der tagtäglich mehrere Stunden bei Temperaturen
z.T. weit unter dem Gefrierpunkt seiner Tätigkeit nachgehen musste; sicherlich keine besonders erstrebenswerte Aufgabe.
aus emotionalen sowie ästhetischen Gründen, zur Bewahrung der (identitätsstiftenden)
Eigenart und des Erlebnispotentials der Stadtlandschaft
Für die Kühlhäuser gilt, dass der ästhetische Wert früher Industriearchitektur heute in zunehmenden Maße
Anerkennung findet.
Aber selbst wenn diese Ansicht noch nicht überall auf ungeteilte Zustimmung stößt, so steht
der stadtbildprägende Charakter großer Industrieanlagen und dessen Einfluss auf das emotionale Befinden
wohl außer Zweifel.
Häufig erschließt sich die typische Eigenart eines Stadtteils erst vor dem Hintergrund
seiner industriellen Vergangenheit. Dieser unverwechselbare Eindruck, welcher sich einerseits an übergreifenden
Raumstrukturen,
andererseits an einzelnen herausragenden Details,wie z. B. einem Kesselhaus, festmachen lässt,
bietet auch heute noch, nach all den tiefgreifenden strukturellen Veränderungen der postmodernen Gesellschaft, Fixpunkte zur lebensräumlichen Identifikation.
Mit Sicherheit ist es nicht ganz einfach, ein mehrgeschossiges, in seiner Gestaltung in erster Linie funktionsbestimmtes und dadurch in seinen Nutzungsmöglichkeiten sehr eingeschränktes Kühlhaus von 1896 "an den Mann zu bringen".
Der nostalgische "Charme", der nach Meinung einer wachsenden Zahl von Menschen historische Industriearchitektur ausstrahlen kann, könnte jedoch für das "Image" eines neuen Eigners interessant und eventuell verwertbar werden.
Ich erinnere hier an den Werbeslogan des erfolgreichen Versandunternehmens "Manufactum" (Werbeslogan: "Es gibt sie noch, die guten Dinge"), das seinen Firmensitz in den denkmalgeschützten Hallen der ehemaligen Zeche Walltrop hat.
Dass die erhaltende Integration von Kühlhäusern indes nicht unmöglich ist und auch nicht zwangsläufig von vornherein als unrentabel verworfen zu werden braucht, bestätigt ein Blick über die Grenzen. Beispiele wie "Vieux Port" (Alter Hafen) in Montreal, das "Imperial Cold Stores" in Kapstadt oder das "freezer plant" im USA-Staat Delaware könnten Vorbilder für Europa sein. «[3]
Der jetzige Niederlassungsleiter der TLG für Berlin Brandenburg Jörg R. Lammersen war bei der IVG beschäftigt, als diese die Kühlhäuser am Osthafen (Baujahr 1929) umbauen ließ. Er weiß also auch, das der Umbau eines Kühlhauses nicht unmöglich ist!
Die Zeit drängt, denn es existieren nur noch wenige Gebäude dieser Art!!!
Ein interessierter Investor soll auch seinen Willen erklärt haben, die Kühlhäuser zu erhalten. Es ist also auch hier bewiesen, das es möglich ist.