vor kurzem wurde ich von der Bürgerinitiative zum Erhalt der alten Eisfabrik in der Köpenicker Straße in Berlin-Mitte kontaktiert. Anlass dazu war, dass ich mich über Jahre intensiv mit Eiskellern und Kühlhäusern aus wirtschafts- und kulturhistorischer, industriearchäologischer, kulturgeographischer und denkmalpflegerischer Sicht beschäftigt habe.
Vor dem Hintergrund meiner umfänglichen Recherchen und Untersuchungen in Norddeutschland (aber auch weit darüber hinaus) sehe ich mit Besorgnis, dass das nicht nur für Berlin einzigartige architektonische Ensemble von Eisfabrik und Kühlhäusern aus der Zeit um 1900 möglicherweise in seinem Gesamtbestand gefährdet ist.
Ich hatte vorige Woche die Gelegenheit, den historischen Industriekomplex persönlich näher in Augenschein zu nehmen und war spontan höchst beeindruckt.
Meines Erachtens würde durch den derzeit geplanten Rückbau der zugehörigen, in dieser Form singulären Hochkühlhäuser eine einzigartige Chance vertan. Gerade der Umstand, dass beide technischen Einheiten noch erhalten sind, ermöglicht erst ein historisches Verständnis dieser für die Versorgung der expandierenden Großstädte im späten 19./frühen 20. Jahrhundert konstitutiven Gewerbebauten.
Da es weltweit kaum noch Hochkühlhäuser, schon gar nicht dieses frühen Typs und zudem in Verbindung mit einer Eisfabrik gibt, wäre die denkmalverträgliche, abgestimmte Konversion von Eisfabrik und Kühlhäusern aus wissenschaftlicher Sicht in höchstem Maße begrüßenswert.
Darüber hinaus bin ich der festen Überzeugung, dass sich daraus auch für die künftigen Bewohner und den in seiner historischen Stadtstruktur durch den Zweiten Weltkrieg arg in Mitleidenschaft gezogenen Stadtteil ein größerer Mehrwert ergeben würde. Dass sich der besondere Charme des zukünftigen Wohn- (und Gewerbe?-)-Komplexes erst durch die Umnutzung der Kühlhäuser einstellen würde, liegt m. E. auf der Hand.
Und dass der Umbau eines Kühlhauses durchaus im Bereich des Machbaren liegt, belegt das Beispiel des großen historischen Hafenkühlhauses im Vieux Port von Montréal, Kanada, das vor wenigen Jahren zu einer Hotel- und Appartment-Anlage mit zahlreichen Wohneinheiten umfunktioniert wurde (Architekt Michelange Panzini).
Sehr geehrter Herr ..., sofern ich einen Beitrag zur Erzielung einer Win-Win-Lösung im Sinne aller Projektbeteiligten und natürlich des Denkmals leisten kann, will ich dies gerne tun und stehe als Berater zur Verfügung. Die Sache würde den Einsatz sicherlich lohnen!
Mit bestem Dank und Gruß
Dr. Stephan A. Lütgert M. A.
Hamburg, den 07.07.2008
Literatur:
Ders., Eiskeller, Eiswerke und Kühlhäuser in Schleswig-Holstein und Hamburg. Ein Beitrag zur Industriearchäologie und Kulturlandschaftsforschung (Husum-Verlag, Husum 2000).
Kein Abriss der Eisfabrik!!!! Kein Abriss der Kühlhäuser!!!